Wiener Hof / Offenbach-Bieber

 

Langener Str. 23

 

Offenbach Post, 28.09.2010
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Ankündigung Abschiedskonzert für Walter "Waldy" Brand
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Artikel Offenbach Post
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Artikel Offenbach Post, 29. Januar 2020:

 

Kultur und Gastronomie im Wiener Hof

 

Kult-Gastronomie in Offenbach: Ein schwieriges Pachtverhältnis

 

 

Auch Gaststätte und Biergarten müssen ihren Beitrag leisten: Über mangelnden Besuch können Wirt Blacky und Bedienung Mimi nicht klagen. © Kirstein
Auch Gaststätte und Biergarten müssen ihren Beitrag leisten: Über mangelnden Besuch können Wirt Blacky und Bedienung Mimi nicht klagen. © Kirstein

 

Dem Wiener Hof in Bieber wurde 2013 der Kulturpreis verliehen. Das Verhältnis zwischen Verpächterin und Pächter bleibt ansonsten ein spezielles.Dem Wiener Hof in Bieber wurde 2013 der Kulturpreis verliehen. Das Verhältnis zwischen Verpächterin und Pächter bleibt ansonsten ein spezielles.

 

Offenbach - Heutzutage darf der Toilettengang in der Langener Straße 23 enttäuschen. Picobello sauber, ja, aber nicht einst geweckten Erwartungen entsprechend: solide Leistung des Sanitärhandwerks, aber kein Luxus von bischöflicher Dimension. Kein "Klo Tebartz", wie es Wiener-Hof-Betreiber Reinhard „Blacky“ Prekel und sein Künstlerfreund Hagen Bonifer vor fünf Jahren satirisch voraussahen, nachdem die Stadt Offenbach als Vermieterin ihren Kostenvoranschlag für die Sanierung der unzumutbar gewordenen Anlage präsentiert hatte.

 

87 800 Euro waren für die Planer der Offenbacher Projektgesellschaft ein angemessener Betrag für eine umfangreiche Ertüchtigung. Auf die hatten Wirt Prekel und seine Karin, immer wieder mahnend, lange genug gewartet. Die Stadt lässt sich ihr bauliches Engagement in der Immobilie jedoch auch bezahlen: Die Pacht ist zeitgleich um 400 Euro pro Monat in die Höhe gegangen.

 

Blacky Prekel in Offenbach: Ein schwieriges Pachtverhältnis

 

Die Kombination aus regelmäßig geöffneter Gaststätte und Konzertsaal stellt sozusagen das eine Ende einer kulturellen Achse für ein gewisses Alter erreicht habender Liebhaber populärer Musik und Kleinkunst dar. Das andere Ende wäre das städtische, übers Jugendkulturbüro organisierte Zentrum in der Sandgasse 26. Im Gegensatz dazu muss der Wiener Hof ohne öffentliche Subventionen auskommen; seine Veranstaltungen finanziert Prekel aus Eintrittsgeldern ("Die soll sich jeder leisten können.") und Erlösen aus der Gastwirtschaft. Immerhin, 2013 zeigte sich die Stadt erkenntlich und verlieh den Bieberern ihren Kulturpreis.

 

Ansonsten bleibt das Verhältnis zwischen Verpächterin und Pächter ein spezielles. Aus dem Liegenschaftsamt sei ihm übermittelt worden, die Immobilie in der Langener Straße werde als Klotz am Bein betrachtet, bei dem man eh nur drauflege, erzählt Prekel. Trifft das zu, könnte es manche Zögerlichkeit erklären. 2017 monierte das kommunale Veterinäramt, der Fußboden hinter der Küche und in anschließenden Räumen müsse dringend erneuert werden.

 

Das Liegenschaftsamt sah sich zunächst keineswegs in der Pflicht, worauf sich Reinhard Prekel an seinen Oberbürgermeister, Kulturdezernenten und Mit-Bieberer Felix Schwenke wandte: "Wir gehen seit Jahren sehr langmütig mit unserem Vermieter um, und das hat uns an wirtschaftliche Grenzen gebracht."

 

Blacky Prekel in Offenbach: Wirtsleute bleiben auf 2500 Euro sitzen

 

Die Stadt zahlte. Auf 2 500 Euro, die für eine neue Abtrennung eines Büros notwendig wurden, bleiben die Wirtsleute aber sitzen. Was jetzt noch ausstünde, wäre eine heutigen Erfordernissen angemessene Dachboden-Isolierung eines Gebäudes im Besitz einer Stadt, die viel auf ihr Engagement fürs Klima hält. "Da oben liegen die Dachziegel direkt auf dem Gerüst", beschreibt Blacky Prekel die Abweichung vom andernorts verlangten Standard. "Wir brauchen doppeltes Heizöl, um den Saal im ersten Stock richtig warm zu kriegen."

 

In den Besitz des ihr ein wenig lästig erscheinenden Anwesens kam die Stadt nicht aus eigenem Antrieb. Um Anfang der 1990er Jahre eine Turnhalle für die benachbarte Mauerfeldschule bauen zu können, wurde ein Teil des Wiener-Hof-Biergartens als Baugrund benötigt. Der damalige Eigentümer wollte aber nur komplett verkaufen.

 

Ein umfangreiches und anspruchsvolles Programm im Wiener Hof (hier die Hofwand mit alten Plakaten) ist nicht nur mit Eintritt zu finanzieren.  © Kirstein
Ein umfangreiches und anspruchsvolles Programm im Wiener Hof (hier die Hofwand mit alten Plakaten) ist nicht nur mit Eintritt zu finanzieren. © Kirstein

 

So geriet die Stadt eher notgedrungen in den Besitz eines der ältesten noch bewirtschafteten Gastronomiebetrieben. Dessen weltstädtischer Name verdankt sich dem Umstand, dass vor rund 120 Jahren der erste Wirt Peter Kaiser sehr gern mit seinen Erlebnissen in der österreichischen Metropole prahlte und deshalb bei den Bieberern nur "de Wiener" hieß...

 

Reinhard Prekel steht seit knapp 20 Jahren an Konzertkasse und Zapfhahn. Bei der Offenbach-Post zum Chemographen ausgebildet und viele Jahre als Sozialarbeiter in Wiesbaden, Hanau und Offenbach tätig, spielte Prekel in der Allstars-Band des seit 1996 Kultur und leibliches wohl vereinenden Wiener Hofs Saxofon. 2001 übernahm er den Laden. Seitdem gestaltet er sein Pachtverhältnis zur Kommune mit humorvoller Streitbarkeit.

 

Auch der Chor Hemmungslos Bieber, Jazzverein oder Heinrich-Heine-Club nutzen die Räumlichkeiten. Bis zu 50 eigene Veranstaltungen im Jahr locken an die 5 000 Leute nach Bieber. Die bewährte Mischung aus Rock, Blues, Jazz, Kabarett, Comedy und Experimentellem will der 65-Jährige noch ein paar Jährchen anbieten. Anschließend keine Nachfolge parat zu haben, wäre freilich ein kultureller Verlust für die Offenbacher Region.

 

VON THOMAS KIRSTEIN

 

Artikel Offenbach Post, 15. November 2023:

 

Kultur vorerst nicht möglich

„Absprachelücke“ führt zu Schließung des Obergeschosses im Wiener Hof

 

 

 Der Wiener Hof ist ein beliebter Ort für Kulturveranstaltungen, der Saal im Obergeschoss wird regelmäßig für Konzerte und Kleinkunst genutzt. Foto: Archiv/P
Der Wiener Hof ist ein beliebter Ort für Kulturveranstaltungen, der Saal im Obergeschoss wird regelmäßig für Konzerte und Kleinkunst genutzt. Foto: Archiv/P

 

Offenbach – Der Kultursaal des Wiener Hofs im ersten Stock bleibt bis auf Weiteres geschlossen. Die Stadt hat in dem ihr gehörenden Gebäude den Brandschutz vernachlässigt, was erst bei einer turnusmäßigen Überprüfung auffiel. Die Folge: Der gut frequentierte Saal bleibt zu; wie es mit Kulturveranstaltungen weitergeht, ist ungewiss. Für die "komische Nacht", die für den heutigen Mittwoch angesetzt ist, wurde ein beheiztes Zelt im Biergarten aufgestellt – doch das muss am Freitag abgebaut werden.

 

"Der Wiener Hof bleibt offen, nur der Saal oben ist betroffen", betont Wirt Chris Celentano, einer der beiden neuen Pächter der Bieberer Institution. Für die Betreiber ist die Schließung eine "wirtschaftliche Katastrophe": Sie haben Anfang Oktober den Wiener Hof übernommen und viel Geld in die Modernisierung von Gastraum, Küche und Keller gesteckt.

 

Noch vor wenigen Wochen habe die Stadt ihnen auf Nachfrage versichert, dass sie über die Weihnachtszeit Kulturveranstaltungen anbieten könnten, berichten sie. Nun ist der Kulturkalender voll, es gibt Reservierungen für große Feiern im Saal – und beide wissen nicht, wie es weitergeht.

 

Die Verantwortung für die Schließung liege bei der Gebäudeeigentümerin, der Stadt. Das wird dort mit der Erklärung eingeräumt, die dramatische Entwicklung sei einer "Absprachelücke" innerhalb der Verwaltung geschuldet. Allerdings ist das Eingeständnis mit einem "jedoch" versehen: Auch der vorige und die neuen Pächter sind nach Meinung der Verwaltung zumindest teilweise in der Verantwortung.

 

Seit Jahren wird über Sanierungsarbeiten an dem Gebäude gesprochen und geplant: Im März 2021 wurde etwa die Baugenehmigung für einen zweiten Rettungsweg erteilt. Da jedoch weitere bauliche Veränderungen notwendig sind, etwa der Einbau einer Belüftungsanlage, entschied die Verwaltung, dass schon allein aus Kostengründen dafür ein Stadtverordnetenbeschluss notwendig sei. Mit der von der Verwaltung vorgeschlagenen Variante einer zweiten Treppe wäre jedoch ein Teil des Biergartens nicht mehr nutzbar, der frühere Pächter Reinhard Prekel bat daher um eine andere Planung. Nach einigem Hin und Her kam die Verwaltung zu der Idee, über die Toilettenanlage den Fluchtweg zu organisieren.

 

Verwunderlich aber, dass, obgleich ein städtisches Gebäude und die städtische Verwaltung dafür zuständig, innerhalb der Verwaltung das Vorgehen völlig unterschiedlich aufgefasst wurde: Bauaufsicht und Feuerwehr gingen, wie die Stadt schreibt, davon aus, dass die baulichen Veränderungen für den gesetzlich vorgeschriebenen Brandschutz zügig umgesetzt wurden – Liegenschaftsamt und Wirtschaftsförderung als für den Kulturbetrieb zuständige Stellen gingen jedoch von einer "unbefristeten Duldung des baulichen Zustandes bis zum Beginn der Sanierungsmaßnahmen" aus. Da die Ämter offenkundig untereinander nicht kommunizierten, blieb die wirkliche Lage unbemerkt.

 

Der Planungsprozess, so räumt Oberbürgermeister Felix Schwenke als zuständiger Dezernent für Wirtschaftsförderung und für Kultur ein, habe sich stark verzögert: Erst vor drei Wochen, also mehr als zweieinhalb Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung, wurde der Vorschlag zur Sanierung und für den zweiten Fluchtweg finalisiert und vorgelegt.

 

Doch dann stand der turnusmäßige Ortstermin der "Gefahrenverhütungsschau" von Feuerwehr und Bauaufsicht an, und am 9. November wurde die "Absprachelücke" innerhalb der Verwaltung offenkundig: Da ohne zweiten Fluchtweg der Brandschutz nicht gewährleistet ist, untersagte die Bauaufsicht die Nutzung des Saals.

 

"Wir fielen aus allen Wolken", sagen die Pächter gegenüber unserer Zeitung. Ein für vergangenen Samstag angesetztes Konzert wurde kurzfristig in den Gastraum verlegt – mit der Folge, dass die Band nur 500 statt 1200 Euro erhielt und die Betreiber aufgrund fehlender Esseneinnahmen ein Minus machten. Für die "komische Nacht" hat die Stadt ein Zelt organisiert – eigentlich nur bis Donnerstag, nun doch bis Freitag, aber die Zeltheizung mussten die Pächter selbst organisieren. Die Stadt hat jedoch eine Brandmeldeanlage herbeigeschafft. Konzerte können im Zelt nicht gespielt werden, da der Lärmschutz nicht gewährleistet ist und Probleme mit dem Fluchtweg ungelöst sind.

 

Bei einem rasch angesetzten Ortstermin hat die Stadt inzwischen den Bau einer Behelfstreppe ins Spiel gebracht. Doch weil dafür auch Wanddurchbrüche notwendig sind, wäre eine Umsetzung frühestens ab Ende Januar möglich.

 

"Wir wissen nicht, wie es weitergeht", sagen die Pächter. Was abgesagt werden muss, können sie nicht sagen, die Stadt überlegt noch, was möglich ist. Stadtsprecher Fabian El Cheikh sagt, es würden auch Ausfallzahlungen für abgesagte Veranstaltungen geprüft.